06.09.17

Rimini - Sonja Heiss



Sonja Heiss’ Romandebüt wird einiges mit Ihnen anstellen: Sie werden laut lachen, Sie werden sich selbst und Ihre Familie wiedererkennen und Sie werden mehr lesen wollen. Versprochen!
Hans ist Anwalt, reich und erfolgreich. Doch auf einmal kehrt diese irrationale Wut in ihm zurück. Seine Ehe funktioniert nicht mehr und statt mit seiner neuen Psychoanalytikerin Frau Doktor Mandel-Minkic an seinen Problemen zu arbeiten, verliebt sich Hans in sie. Seine Schwester Masha ist 39 Jahre alt, als sie beschließt, ein Kind mit ihrem Freund zu bekommen. Doch plötzlich geht er ihr schrecklich auf die Nerven. Masha begibt sich auf die panische Suche nach einem neuen Mann, doch ihre Idee, im Bett den zukünftigen Vater ihres Kindes zu finden, ist zum Scheitern verurteilt.
Alexander und Barbara, die Eltern der ungleichen Geschwister, sind seit über vierzig Jahren leidlich glücklich verheiratet und müssen sich jetzt im Alltag eines Rentnerpaars einrichten. Während Alexander sich schon einsam fühlt, wenn seine Frau in ein anderes Zimmer geht, bleibt für sie nur die Flucht. Sie ahnt nicht, was sie damit in Gang setzt.
Sonja Heiss entwirft ihre Charaktere mit enormer psychologischer Raffinesse. Ihr Blick auf den menschlichen Alltag zoomt Details heran, die mit bloßem Auge kaum sichtbar sind. Dabei entsteht ein meisterhafter und höchst unterhaltsamer Roman, der seinen Humor aus den Abgründen des Lebens schöpft.
(Text & Cover: © Kiepenheuer & Witsch; Foto: © N. Eppner)


Vor kurzem ist mir "Rimini" über den Weg gelaufen. In die Hände gefallen. Ein Glückstreffer, den ich gemeinsam mit Alex vom Bücherkaffee gelesen und ausgiebig besprochen habe. Wir beide wurden vom Buch sehr gut unterhalten und haben eine Familie kennenlernen dürfen, die so was von aus dem Leben gegriffen ist, dass wir eigene Züge darin wiedererkennen konnten.

"Familien versuchen gerne, nach aussen hin als funktionierend zu erscheinen, aber Heiss blickt ganz schonungslos hinter die Kulissen und das in der tat mit einem ganz tollen sarkastischen Ton. Mal bitterkomisch, mal traurig, mal schwermütig, mal zum lachen - aber niemals wirklich belastend." (Alex, BücherKaffee)

Auf den ersten Blick scheint alles okay. Hans ist erfolgreicher Anwalt - sogar Partner in einer Anwaltskanzlei, seine Frau Journalistin, sie haben zwei Kinder, ein Junge, ein Mädchen, ausreichend Geld, um in den Urlaub zu fahren und verbringen Weihnachten nach alten Traditionen und Werten. Perfekter geht es kaum und doch neigt Hans zu Wutausbrüchen, die ihn oftmals in Situationen manövrieren, aus denen er nur schwer entkommen kann. Mal zerbricht er nur einen Kugelschreiber, mal zertrümmert er einen Stuhl. Auf Wunsch seiner Frau geht er zu einer Psychoanalytikerin und trotzdem lässt sie ihn abends im Bett eiskalt abblitzen.

Während Hans sich in seinen Therapiestunden in falschen Hoffnungen verliert, versucht seine Schwester Masha die große Liebe zu finden. Sie steuert rasant auf die 40 zu und sieht sich verpflichtet ein Kind zu bekommen. Das ist schließlich der Traum aller Frauen. Die Partnerwahl stellt sich jedoch, als schwierig heraus und ihre irgendwie falsche Wahrnehmung der Realität und ihre Fähigkeit Liebe und sexuelles Verlangen zu verwechseln, vereinfachen die Suche nicht.




Wie sollen Hans und Masha auch einen reellen Blick aufs Leben bekommen? Ihre Eltern Alexander und Barbara konnten ihnen das nicht beibringen. Sie sind selbst viel zu festgefahren in Wünschen, Träumen und Handlungsabläufen, um den Kopf nach links oder rechts drehen zu können. Alexander möchte seiner Frau immer alles recht machen, verliert sich dabei jedoch in falschen Vorstellungen ihrer Bedürfnisse und Barbara ist zu müde oder zu ängstlich, um den Mund aufzumachen und für sich einzustehen.

"Barbara und Alexander haben keinen Weg zur Kommunikation gefunden in ihrer Ehe, nur belangloser Smalltalk. Sie konnte ihm nicht sagen, dass sie Leidenschaft vermisst und Zeit für sich braucht - er konnte ihr nicht sagen, dass er sie liebt und Angst hat, sie zu verlieren. Sehr traurig, diese Entwicklung hat mir weh getan. Ich dachte immer, ja nun redet doch endlich miteinander!" (Alex, BücherKaffee)

Das Buch hat mir durchweg gut gefallen und landet definitiv auf der Liste der Jahreshighlights 2017. Ich mochte den Aufbau der Geschichte ebenso gerne, wie den vor Sarkasmus triefenden Schreibstil der Autorin. Anfangs ist die Bekanntschaft mit den Figuren oberflächlich, mit jedem Kapitel dringen wir mehr in ihr Bewusstsein ein, erkennen ihre Schwächen und Stärken, sehen welche Strukturen (zum Teil über Generationen verankert) zu deren handeln führen, während sie selbst weiter blauäugig durchs Leben gehen, ohne jegliche realistische Einschätzung ihres Verhaltens.

Dialoge, die einem Loriot Stil das Wasser reichen können, haben mich zum Lachen gebracht, während mich viele andere Situationen mitleidig oder gar nachdenklich gestimmt haben. Rund um ein gelungener Roman, der dem ein oder anderen sicher als Spiegel dienen kann. Wenn nicht, auch gut. Klug unterhalten wird man auf alle Fälle.



Buchinfo: 

Kiepenheuer & Witsch (August 2017)
400 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
20,00 €
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Weitere Rezensionen:


Termine 2017: 

19.09. Berlin, Buchpremiere mit Heike Makatsch
13.10. Stadtkirche Darmstadt, Lesung
18.10. Buchhandlung Herschel, Berlin, Lesung
19.10. Buchhandlung cohen + dobernigg, Hamburg, Lesung
20.10. Buchhandlung Goltsteinstraße, Köln, Lesung
23.11. Hochschul- und Kreisbibliothek Bonn-Rhein-Sieg, Rheinbach, Lesung

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Rezension: © 2017, Nanni Eppner


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